Vor dem Bau der Bautzner Chaussee, 1786 fertiggestellt, befand sich auf dem Grundstück der heutigen Praxis eine »Kugelgießerei«, das Eisen-, Schmelz- und Gußwerk des Dresdner Hauptzeughauses. Nach Beendigung des siebenjährigen Krieges verlor es an Bedeutung und wurde bis auf noch brauchbare Teile abgebrochen.
Vom Landgut zur Praxis –
Die wechselvolle Geschichte des Marcolinischen Vorwerks
Marcolinis landwirtschaftliches Mustergut
Der aus Fano am adriatischen Meer stammende Silberpage Camillo Graf Marcolini, der bis zum Königlichen Kabinettsminister (1809) aufstieg, beauftragte 1785 seinen Vertrauten Johann Christian Drobisch hier ein Mustergut, einschließlich Vorwerk mit Wirtschaftshof, der Meierei, errichten zu lassen. Dessen wichtigster Teil, die Meierei an der heutigen Bautzner Straße Nr. 96 mit Wirtschaftsgebäude und den beiden Seitengebäuden Scheune und Remise bildeten die Grundlage für die spätere Villenanlage.
Unter wechselndem Besitz Umgestaltung zur Villenanlage
1828 ersteigerte der »Hofküchengeschirrschreiber« Scheppach das Grundstück. Das heutige Baudenkmal, das wesentlich von Georg Hermann Nicolai im Neorenaissancestil geprägt wurde, entstand 1854 durch Erweiterungsbauten. Unter Eduard Schumann (Controlleur der Armenversicherungsbehörde) wurden an das vorhandene Wirtschaftsgebäude ein Treppenhaus und die beiden Seitenrisalite an der Südseite errichtet. Aus dem Bauernhof entstand ein gepflegter Vorgarten mit Torhäusern und Brunnenanlage.
Die bisher straßenseitig angeordneten Plastiken »Schnitter mit Hund« und »Kuh mit Kälbchen« von Franz Pettrich (1795) wurden um 1854 hofseitig in die Ziergiebel der Torhäuser umgesetzt. Die elbseitige Parkanlage mit großer Freitreppe erhielt eine moderne Gartengestaltung. Nach 1859 kam die Villa in den Besitz des Kaufmanns Adolf Wasilieff Ernst Rothermund(t).
Ein Neubau, das Schweizerhaus entstand. Weitere bauliche Veränderungen folgten mit dem Einbau des Wintergartens, eines Windfanges am Treppenhaus und neuen Innenausstattungen. Der Kaufmann Albin Junghanns ließ nach 1930 die Villa modernisieren und links ein Küchengebäude anbauen. Dieses wurde durch den Dresdner Baumeister Otto Haubold sensibel dem Charakter des Gebäudes angepasst.
Aus Marcolinis Flur entstand das Preußische Viertel
Die Bedeutung dieses Vorwerkes steht neben der Entwicklung der Verkehrswege auch im direkten Zusammenhang mit der Entstehung des Preußischen Viertels. Mit der Parzellierung der ehemals Marcolinischen, später Scheppachschen Flur nach 1828, entstand zunächst die elbseitige Villenbebauung. Im Ortsgesetz, einem Bauregulativ von 1900, wurde u. a. festgehalten: »Als Vordergebäude dürfen auf der Baufläche 19 nur in edlem Stile gehaltene Villen, auf den übrigen Bauflächen auch einfachere Villen oder Landhäuser errichtet werden.«
Bestimmte Teile der Fläche wurden schon damals von der Bebauung ausgeschlossen, um die Elbauenlandschaft zu schützen.
Kriegsschäden und Verfall zu DDR-Zeiten
Am 13./14. Februar 1945 entstanden durch Brandbomben beträchtliche Schäden am Baukörper. In den siebziger Jahren verfiel die Bausubstanz zunehmend. Großes Engagement von Denkmalpflegern führte 1980 zur Unterschutzstellung der Villenanlage.
Denkmalgerechte Sanierung und moderne Nutzung nach 1990
Nach 1990 ergab sich die Möglichkeit, eine denkmalgerechte Sanierung mit den Anforderungen einer modernen Nutzung zur verbinden. Ein ambulantes Herzzentrum, Bildungsstätte und Gastronomie zogen ein. Dieses Vorhaben profitieren von einer präzisen denkmalpflegerischen Zielstellung und von seiten des Eigentümers vom Verständnis für eine weitgehenden originalgetreue Wiederherstellung in Semperscher Bautradition. Einheimischer Restauratoren, Bildhauer und Kunsthandwerker, darunter Vincenz Wanitzschke, waren daran beteiligt.
Die Stuckplastik im Ziergiebel des linken Torhauses war aus unverständlichen Gründen nach 1945 beseitigt worden. Doch es gelang, das Werk 1992 nach einem historischen Fotos neu entstehen zu lassen. Die am rechten Torhaus befindliche Plastik »Schnitter mit Hund« war bereits 1983 restauriert worden.
Die üppigen Stuckplastiken im antiken Giebelbereich an der Südseite des Hauptgebäudes wiesen keine wesentlichen Schäden auf. Ergänzungen machten sich am Zahnschnittfries erforderlich. Unterhalb der Attika an der Südseite konnten die Stuckplastiken von 1854 wieder ergänzt und konserviert werden. Infolge Spritzwasser war das Mörtelgemisch durch das naheliegende Pultdach schwer zerstört. Diese Stuckarbeiten »Löwenköpfe« und »Fruchtgehänge« sind in historischer Fertigungstechnik neu entstanden. Der Konsolenschmuck ist vom Innenraum durch ein Lichtband, welches die neue Dachkonstruktion durchzieht, zu sehen.
Die Zinkplastiken im Treppenhaus trugen seit 1880 eine mit Stadtgas gespeiste Lichtanlage. Kriegseinwirkung führte daran zu schweren Deformationen. Auf elektrischer Basis konnte die Anlage wiederhergestellt werden.
Bei der Instandsetzung der Mittelachse der Villa konnte die Gußeisenkonstruktion von 1880 nicht mehr erhalten werden. Durch eine Neugestaltung des Wintergartens im Obergeschoß wurde eine verträgliche Außenansicht zur Parkseite geschaffen. Bei Farbuntersuchungen im Treppenhaus wurden den Raum gliedernde Ornamentmuster freigelegt. Ebenso konnte die Originalfarbigkeit der korinthischen Säulenanlage im Erdgeschoß nach Befunden wiederhergestellt werden.
Die heutige Gestaltung der Außenanlage geht auf eine Zeichnung von 1936 zurück. Unter dem Vorgarten wurde eine für die moderne Nutzung unerlässliche Tiefgarage durch geschickte Begrünung wenig störend integriert.
Seit 2005 werden alle erhaltenen Gebäude des Marcolinischen Besitzes auf dem Grundstück Bautzner Straße 96 durch die Inhaber und Partner der »Marcolini Praxis« genutzt, die dem wundervollen Flair dieses geschichtsträchtigen Grundstücks durch einen besonderen medizinisch-ästhetischen Anspruch eng verbunden sind.
Autor: Dipl.-Ing. Christian Peter Mallwitz, Ehrenamtlich Beauftragter für Denkmalpflege in Dresden
Kurzabriss der Baugeschichte
1764 | Eisen-, Schmelz- und Gusswerk des Dresdner Hauptzeughauses |
1783 – 86 | Neuanlage Bautzner Straße |
1787 | Marcolinis Vorwerk mit Meierei |
1828 | Verkauf durch Peter Graf Marcolini an den Holzhändler Scheppach |
1856 | Villa Schumann, … |
1859 | Rothermundt, … |
1931 | Junghanns |
1993 | Ärztehaus, Schulungszentrum und Gastronomie |
2005 | Marcolini Praxis |
Camillo Graf Marcolini
1739 | geboren in Fano/Italien |
1749 | Aspirantur auf eine Silberpagenanstellung am Dresdner Hof |
1752 | im Silberpagenbuch als »Conte« vermerkt |
1763 | Kammerpage als ständiger Begleiter des noch unmündigen Kurfürsten Friedrich August III. |
1767 | Kammerherr |
1768 | Verleihung des Grafentitels |
1769 | Oberhofmeister |
1772 | Wirklich Geheimer Rat |
1774 | Direktor der Porzellanmanufaktur Meißen und Steingutfabrik Hubertusburg |
ab 1774 | Besitz des schlossartigen Palais in der Friedrichstadt (heutiges Krankenhaus) |
1778 | Oberkammerherr |
1780 | Generaldirektor der Kunstakademie und Kurfürstlichen Sammlungen heiratet die Baronesse Maria Anna O’Kelly in Mariaschein – 4 Kinder |
1799 | Oberstallmeister |
1809 | Kabinettsminister unter Friedrich August I. oder dem Gerechten (1806 – 1827) |
1814 | gestorben in Prag – Universalerbe Peter Paul Graf Marcolini |
»An den vielseitig begabten und tatkräftigen sächsischen Kulturminister erinnern in Dresden noch weitere Gebäude und Sammlungen, darunter der Zwinger, der während Marcolinis Amtszeit … restauriert ... worden ist. Das Dresdner ›Waldschlößchen‹ gehörte einst dem Grafen Marcolini. Es war ein holzverschaltes Jagdhaus, das als schlichtes Wohnhaus hinter der Brauerei an der Radeberger Straße erhalten geblieben ist.« (Wolfgang Madai)
Er war an der Anlage des Englischen Gartens im Pillnitzer Schloßpark beteiligt und ließ den Landschaftsgarten bis zur Meixmühle (»Friedrichsgrund«) fortführen sowie die »Eremitage« auf dem Borsberg und die Ruine auf dem Pillnitzer Schloßberg errichten. 1774 erwarb er in Hosterwitz Land und ließ dort ein Weinberghaus umbauen (späteres »Keppschloß«). Sein Billardhaus blieb erhalten (heute: Am Keppschloß 9). 1801 kaufte er das »Plantagengut« (heute: Laubegaster Straße) und ließ eine Allee zwischen den Besitzungen anlegen (heute: Nußallee).
Eigentümer der Meierei des Marcolinischen Vorwerkes
1764 | Landkammerrat von Posern – ab 1767 Eisen-Schmelz- und Gußwerk |
1783 – 1786 | Neuanlage der Bautzner Straße |
1787 | Camillo Graf Marcolini – Ausbau zur »Ökonomie vor dem Schwarzen Tore« (Meierei, Vorwerk, Versuchsplantagen, Feld- und Viehwirtschaft) |
1814 | Peter Paul Graf Marcolini |
1828 | Georg August Scheppach – Planung Villenensemble |
1847 | Scheppachs Erben |
1854 | Eduard Schumann – Verwirklichung Villenensemble |
1859 | Adolf Wasilieff Ernst Rothermundt – 1880 Neu- und Ausbau |
1931 | Albin Junghanns – 1936 Bauerweiterung |
1938 | Junghanns Erben |
Wiederaufbau und weitere Entwicklung
1991 | PLAN CAPITAL – Gesellschaft für Beteiligungsanlagen mbH in Saarbrücken Denkmalpflegerische Sanierung und Ausbau zum Herz- und Weiterbildungszentrum sowie Gastronomie |
1992 | Marcolinis Vorwerk GbR (mit Unternehmensgruppe Roland Ernst) |
1997 | Roland Ernst Unternehmensgruppe Ärztehaus, verschiedene Dienstleister und Gastronomie |
2000 | Baden-Württembergische Bank |
2005 | Hotel Elbschlösschen Köberl OHG Marcolini Praxis und Restaurant |